Willkommen bei dem Newsletter, in dem es nicht um Technik und neue heiße Scheißkameras geht – auch wenn der Werbefilm zur neuen x100 wirklich nett und sehenswert ist. Aber das können andere besser und kompetenter, ich schreibe lieber über Bilder, und darüber, was im Kopf passiert, wenn sie zustandekommen.
Seit über einem Jahrzehnt reise und fotografiere ich einigermaßen häufig. Aber was ich beim Reisen fotografiert habe, das hat sich im Lauf der Zeit stark verändert. Zum Beispiel meine Urlaubsfotos. Ich habe schon vor einiger Zeit mal erzählt, was ich über Urlaubsfotos so denke, und vermutlich denke ich darüber schon wieder ein bißchen anders, wenn ich das heute schreiben würde. Kurz: Auf Urlaubsfotos, die ich mag, müssen Menschen abgebildet sein, nicht nur Sehenswürdigkeiten. Und zwar alle Menschen. Solche, die man kennt, wegen der persönlichen Erinnerungsfunktion. Aber auch solche, die nur zufällig im Bild sind.
Als ich sehr viel unterwegs war, also nicht nur aus Gründen der eigenen Erholung, fing ich an, darüber nachzudenken, wie Tourismus aussieht und was er mit der Umgebung macht, in der er stattfindet. Welche künstlichen Paradiese er erzeugt, und was der Preis dafür ist. Wie er Länder und Landschaften verändert und wie die eigentlich löbliche Tugend der Gastfreundschaft zu einem Business wird. Die Umgebungen, in denen Menschen sich erholen, haben ihre ganz eigene Ästhetik, und irgendwann begann ich mich dafür zu interessieren.
Mit Fotografien vom Tourismus verbindet man in erster Linie Martin Parr, vor allem sein Buch “The Last Resort”. Parr zeigt darin die Urlaubsträume des Kleinbürgertums und der Arbeiter in einem maroden Ort namens New Brighton. Der Beton bröselt, alles wirkt etwas schäbig, doch der Willen, es sich gut gehen zu lassen, ist ungebrochen. Ich hingegen finde gerade die perfekten Welten des Luxustourismus spannend. Die Kokons fernab der mitunter durchaus problematischen Gegebenheiten des Urlaubsorts, in denen man zwischen Pool und Cocktail möglichst wenig unternimmt, und wenn, dann sind es harmlose Vergnügungen. Die Kreuzfahrtschiffe und ihre abgeschotteten Welten auf See, die mitunter kurze Berührungen mit Landmasse haben, die dann im Eiltempo besichtigt wird.
Das ist eine Art Urlaub, die ich privat niemals machen würde, auch wenn ich sie mir leisten könnte. Sorry, das ist einfach nicht meins, aber wer es mag, dem sei es unbedingt gegönnt. Als Beobachter finde ich das allerdings äußerst spannend. Ehrlich gesagt habe ich mich irgendwann gefragt, warum ich mich so lange mit diesen ewigen Sehenswürdigkeiten überall aufgehalten habe, wo doch der Hotelpool das für mich eigentlich Spannende ist. Vor allem ist er etwas, über das ich einigermaßen valide Aussagen treffen kann. Valider jedenfalls, als ein Land zu dokumentieren, in dem ich mich kurz mal aufhalte und bald wieder abreise.
Aber es braucht eben eine gewisse Zeit, bis sich Themen und Projekte aus der Bilderflut schälen, die man ständig so produziert. Dann ergeben sich Häufungen und Fragen und Obsessionen für seltsame Dinge. Wie bei Siegfried Hansen und den Eistüten zum Beispiel. Ich konnte irgendwann an keinem Aufblasflamingo mehr vorbeigehen. Gib mir einen Aufblasflamingo, und ich bin die nächsten Minuten beschäftigt. Letztes Jahr bin ich mal morgens auf dem Weg zum Frühstück wieder zurück ins Zimmer gerannt, um die Kamera zu holen, weil auf dem Hotelpool ein Aufblasflamingo war. Im Gegenlicht!
Solche Obsessionen (oder Trigger, wie Siegfried Hansen das nennt) sind oft ein guter Wegweiser, und man sollte ihnen unbedingt nachgehen. Manchmal ergibt sich daraus ein gutes längeres Projekt. Manchmal ändert sich das dann nochmal. Es weitet sich aus oder grenzt sich ein. Aber das ist normal, kein Grund zur Panik.
Momentan bringe ich von jeder Reise etwa eine Handvoll Bilder mit, die ich in einen Ordner schiebe, der noch keinen richtigen Namen hat, nur einen Arbeitstitel. Irgendwann werden wir die Bilder mal auf einem Tisch ausbreiten und schauen, was man daraus so machen kann. Dann erfahrt ihr es hier natürlich.
Links
Ein Interview mit, ähem, mir: “Wie fotogen sind die Straßen der Stadt?”
Total minimal: 10 Fragen an Guido Klumpe
Terminkalender
30. März: Photowalk mit Unposed Hannover, 14 Uhr am Opernhaus.
bis 1. April 2024: Barbara Klemm: Frankfurt-Bilder, Historisches Museum Frankfurt.
18. April bis 27. Juni: Ute und Werner Mahler: Kleinstadt. Hamburger Werkstatt für Fotografie.
26-28. April: Italian Street Photo Festival in Rom.
3. bis 6. Mai: Dublin Street Photography Festival.
4. Mai: Eröffnung der Ausstellung vom Dorfcollective, Nebn-Galerie, Eisenstraße 91, Düsseldorf.
9. bis 12. Mai: Light Leaks Festival Luxembourg.
ab 29. Mai: Kaum ist die Barbara-Klemm-Ausstellung vorbei, legt das Historische Museum nach: “Stadt der Fotografinnen. Frankfurt 1844 – 2024” heißt die nächste Ausstellung, und sie steht schon dick angestrichen in meinem Terminkalender.
bis 22. Juni: Thomas Hoepker “MitMenschen”, Leica Gallery Frankfurt
22. Juni: Photowalk mit Unposed Hannover, 14 Uhr am Opernhaus.
23. Juni: Photowalk mit Collateral Eyes in, Achtung! – Offebach. (Ja, wir haben das aus gutem Grund nochmal geändert. Ihr werdet sehen, es war wirklich ein guter Grund.)
12./13. Juli 2024: Meet & Street Hamburg. Achtung, zum Warm-up in der Deichdiele gibt es auch eine Ausstellung mit Wettbewerb!
Wettbewerbe
Brussels Street Photography Festival, Einzelbilder und Serien, Deadline: 24. März.
Chateau Gallery, Einzelbilder, Deadline 15. April.
Canon Female Photojournalist Grant, 8000 € für ein fotografisches Projekt, bis 21. Mai.
Viepa Vienna Photo Award, Kategorie Street, bis 15. Juni.
Grüße aus Dunedin, Neuseeland, Andrea! 🇳🇿
Obwohl ich kein Deutsch spreche oder lese (mein Partner jedoch ein wenig), dachte ich, ich versuche, zwischen Deutsch und Englisch zu übersetzen, indem ich die verfügbaren Tools verwende (aktuell experimentiere ich mit Copilot, einem KI-Tool von Microsoft).
Der Tourismus spielt eine bedeutende Rolle in der neuseeländischen Wirtschaft, und Dunedin ist ein regelmäßiger Stopp auf der Kreuzfahrtschiffroute. Interessanterweise war ich noch nie auf einer Kreuzfahrt (und habe auch kein Interesse daran), aber ich fotografiere gerne Kreuzfahrttouristen im Stadtzentrum. Seltsamerweise werde ich oft selbst für einen Touristen gehalten, wegen meiner Kamera und meines kanadischen Akzents (der normalerweise für amerikanisch gehalten wird).
Unser Umzug von Toronto nach Dunedin im Jahr 1993 lässt mich immer noch wie einen Touristen in meiner eigenen Heimatstadt fühlen. Und wenn wir Kanada besuchen (wie wir es letztes Jahr mit unseren beiden Söhnen getan haben), bleibt dieses Gefühl bestehen.
Es ist faszinierend, wie eine Kamera uns sofort in Touristen verwandelt, unabhängig von unserem Standort. Als Straßenfotografen suchen wir das Bemerkenswerte, das Unterschiedliche, das Beeindruckende und das Seltsame. In Bezug auf bemerkenswerte Wahrzeichen hält der Bahnhof Dunedin den Titel des meistfotografierten Gebäudes in Neuseeland (obwohl ich nicht sicher bin, wer “sie” sind oder wie sie es verfolgen). Überraschenderweise habe ich trotz seiner zentralen Lage selten Fotos davon gemacht. Stattdessen habe ich einmal lebhafte Mülltonnen auf einem Parkplatz festgehalten – die Rot-, Gelb- und Grüntöne haben mich beeindruckt.
Nun, was die rosa Flamingos betrifft – ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich in Neuseeland noch keinen einzigen fotografiert habe. Aber wir haben durchaus eine Herde leuchtend orangefarbener Verkehrshütchen. Sie tauchen oft in kleinen Gruppen auf und behindern gelegentlich Autos, sodass die Fahrer um sie herummanövrieren müssen.
Ich genieße Ihre Fotos. Ich interessiere mich auch dafür, wie Sie mit anderen Fotografinnen zusammenarbeiten. Obwohl es unfair ist, zu verallgemeinern, denke ich, dass Frauen und Männer oft sehr unterschiedliche Fotos machen, wenn sie denselben Ort dokumentieren. Dies trifft besonders auf öffentliche Plätze zu, insbesondere wenn die Motive Frauen und Kinder einschließen. Ich wäre interessiert daran, was Sie und Ihre Kolleginnen dazu denken.