Unsere Kollektiv-Ausstellung ging nun zu Ende. Das ist ein bißchen bittersweet, weil man sich schon daran gewöhnen kann, daß es in der Innenstadt einen Raum gibt, in dem man Leuten seine Bilder zeigen kann. Und auch noch in einer Lage mit viel gutem Kaffee und gutem Eis drumherum, und sehr guter Pizza, die wir uns nach dem Abhängen (der Bilder! wir haben schon auch dort abgehangen, aber nicht beim Abbau) noch gönnten.
Andererseits ist es auch gut, endlich wieder mehr Zeit zu haben, um Fotos zu machen. Zu Fronleichnam habe ich den freien Tag genutzt und bin zum jährlichen Hessentag gefahren, der in diesem Jahr in Bad Vilbel stattfand. Von Frankfurt aus ist das nur ein Katzensprung mit der S-Bahn. Ich war noch nie beim Hessentag, aber ich habe schon geahnt, daß einiges los sein könnte, zumal an einem Feiertag. Ich überspringe mal den Teil, wo ich einem Freund in die Arme lief und wir sehr sehr lang für Bier und Bratwurst anstanden, und den Teil, wo ich vor lauter Stau leider nicht zu den Bundeswehrpanzern vorgedrungen bin, weil das sicher auch äh interessante Bilder geworden wären. Ich habe dann mit dem Minigolfplatz des Hessischen Rundfunks Vorlieb genommen.
Es ist bei so richtig großem Gewimmel gar nicht einfach, halbwegs übersichtliche Bilder zu machen, die aus mehr als aus Chaos bestehen. Was hilft, ist ein halbwegs strukturierter Hintergrund mit Formen oder auch Farben, die das Chaos ein bißchen vorsortieren. Ich gehöre ja eher zu den Anglern als zu den Jägern, also zu denen, die sich irgendwo positionieren und dann abwarten. Es ist aber bei so einem Platz schon nicht ganz einfach, die richtige Ecke zu finden, wo man fruchtbar lauern kann, und dann müssen ja auch noch die richtigen Personen vorbeikommen. So ganz zufrieden war ich am Ende mit nichts, aber so ist das eben manchmal. Dann kann man da ewig stehen und die hundertprozentig passende Konstellation aus Leuten stellt sich nicht ein. Man müßte halt wiederkommen, aber Hessentag ist nur einmal im Jahr und die ganze Minigolf-Pracht ist schon wieder abgebaut.
Ich bin dann zu einer Skatebahn weitergezogen. Die war geschwungen und aus Beton und bot einen sehr guten Hintergrund mit ordentlich Struktur.
Was an der Skatebahn super war: Man schaut von oben hinein. Ein Blick von oben ist immer gut, man hat große Personen im Vordergrund und sehr kleine im Hintergrund und sie überschneiden sich nicht allzusehr. Damit läßt sich schön was zusammenlayern. Im Vordergrund macht jemand das Bild gesund, nach hinten stuft es weg. Ich stand da ziemlich lange und habe eine Menge Fotos gemacht. Meist sehe ich beim Bearbeiten dann auf den ersten Blick, ob die Anordnung gelungen ist oder nicht. Entweder verteilt sich alles hübsch ohne Überschneidungen, oder es ist einfach Salat.
Eine andere, ähnlich gute Stelle war das Kneipp-Becken. Auch hier: Blick von oben, geschwungene Grundlinien durch Wasserbecken und Geländer, dazu eine Menge Leute. Man macht dann halt fuffzig Bilder, auf denen nur Mist ist, und eins paßt dann und zwei weitere so beinah. Solche Strukturen im Hintergrund sind immer Gold wert, und Stufen im Vordergrund auch, weil sie dafür sorgen, daß jemand einem richtig nahe kommt und fast ins Bild kriecht, und andere hinten weit weg sind und klein. Das bildet per se schon einmal einen interessanteren Kontrast, als wenn alle auf einer Linie stehen und gleich groß sind.
Ja gut, man kann natürlich auch auf einer Linie stehen, wie dieser Herr, der gerade mit der Betrunkenheits-Simulationsbrille Geschicklichkeitsaufgaben löst. Der Parcours war in so schön knalligen Farben gehalten, daß ich sofott getriggert war. Zum Glück war dort ordentlich Andrang, und ich konnte bei mehreren Leuten üben, wo die langlaufen, wann die sich bücken, wo die vermutlich dabei hocken werden. Ich hab mich also schön hinter das Schild mit dem dynamischen Läufer positioniert und hab die Leute auf mich zutorkeln lassen.
Bei allen Stationen hab ich mich nicht gar sonderlich weit bewegt. Ich bin ein, zweimal um die Sache herum, habe die beste Position gesucht – und dann kam es nur noch auf die Leute an und ihre ihre gleichmäßige Verteilung im Bild bzw. ihre Körperhaltung.
Eigentlich wollte ich ja Trachtengruppen fotografieren, aber denen war zu heiß, die saßen nur lethargisch im Schatten herum. Aber andere Tanzgruppen gab es.
Fazit: Hessentag ist top, 10/10, nächstes Jahr Fulda, count me in.
In eigener Sache:
Für meinen Museumsuferfest-Workshop am 30./31. August ist ein Platz freigeworden. Hier steht mehr dazu. Wer mag, schreibt mich gern an!
Links
Mehr Chaos aufs Bild: “Stop Shooting Clean Photos!” auf Youtube.
Sehr schöner Podcast: “Talking Frames” mit Nina Welch-Kling, im Podcatcher Ihres Vertrauens
Schon wieder eine neue App? Ja, aber Irys ist von Alan Schaller, den man kennen könnte, und Eleonore Simon, die man kennen könnte. Man kann sich nun auf eine Warteliste schreiben.
Terminkalender
bis 24. August: “In your face”, Fotografien von Oliver Parviz-Engel, Camera Obscura in Mülheim an der Ruhr
bis 21. September: WATCH WATCH WATCH – Wer HCB in Hamburg verpasst hat, hat nun noch einmal Gelegenheit im Fotoarsenal, Wien.
bis 21. September: Joel Meyerowitz – Die Freude am Sehen. Ernst-Leitz-Museum, Wetzlar
12. Juli: Meet & Street in Dresden! (Am 11. gibt es ab 16 Uhr ein Warm-up im Hechtgarten.)
bis 16. August: Werner Bischof – Zwischen Farbe und Schwarzweiß, Leica Galerie Frankfurt
bis 7. September: “I’m So Happy You Are Here: Japanese Women
Photographers from the 1950s to Now”, Fotografie Forum Frankfurt
12./13. September: Street-Foto-Festival in Göteborg
bis 14. September: Jupp Darchinger – Das Auge der Republik. Landesmuseum Bonn
20. bis 21. September: das Street-Foto-Festival in Pisa
26. bis 28. September: Zum ersten Mal das Street-Foto-Festival in Lissabon
26. bis 28. September: Total passend zeitgleich das Street-Foto-Festival in Rom
bis 28. September: “New York Speaks”, Nina Welch-Kling, vhs-Fotogalerie Stuttgart
bis 12. Oktober: Street Photography. Lee Friedlander, Garry Winogrand, Joseph Rodríguez. Museum Ludwig Köln
vll. schonmal vormerken: am 5. September eröffnet “Harry Gruyaert – Die Welt in Farben sehen” im The Cube der Deutschen Börse, Eschborn und am 27. September in Berlin die Ausstellung “Close enough” mit Bildern von 13 Magnum-Fotografinnen im c/o Berlin.