Es war so viel los im Mai, daß ich kaum dazu kam, Luft zu holen. Und eigentlich fing es ja schon Ostern an. Ostermontag nämlich habe ich mich in ein Flugzeug gesetzt und bin mit zwei Freund*innen, die sich meinem Bedürfnis nach Unterwegsfotografie gegenüber sehr tolerant gezeigt haben, nach Korea geflogen. Die beiden blieben noch etwas länger, aber für mich waren die zwei Wochen genau richtig. Zwei Wochen lang kann ich jeden Tag fotografieren, ohne aussetzen zu müssen und dann womöglich ein schlechtes Gewissen zu haben. Nach zwei Wochen bin ich aber auch reif für eine Woche Strand, aber die gab’s nicht. Unsere Ausstellung mußte ja aufgebaut werden, aber darüber anderswo mehr.
Unsere erste Station in Korea war Seoul, und dort gab es schon sehr viel zu sehen. Zwar ist die Stadt stellenweise sehr, sehr modern (also halt normal modern, wenn man aus Frankfurt kommt), aber es sind auch etliche der kleinen, engen Altstadtviertel erhalten, in denen die Hanoks stehen, die traditionellen Häuser. Außerdem gibt es in Seoul noch etliche alte Königspaläste. Man kommt als Besucher umsonst hinein, wenn man sich einen mehr oder weniger authentischen Hanbok leiht, ein traditionelles Gewand. Nein, mit Ideen wie kultureller Aneignung kommt man hier keine drei Zentimeter weit, Koreaner finden es urlustig, wenn sich Westler Hanboks leihen und damit durch die Palastgärten trippeln. Manche der Paläste sind angenehm leer, aber de Hauptpalast ist knackenvoll. Was auch bedeutet, daß man hier lauter buntgewandete Leute fotografieren kann, die sich gegenseitig fotografieren.
Auch sonst ist Korea super, weil sehr abwechslungsreich, das Straßenbild ist angenehm bunt, überall ist was los, und es gibt in Seoul lauter Über- und Durchgänge. Nachts sitzt man gern auf der Straße an einem Streetfoodstand und ißt Frittiertes und trinkt Bier und Schnaps, weil die Ernährung tagsüber viel zu gesund ist, Fisch und Algen und so. Ähnlich wie in Japan verlaufen auch in Korea kreuz und quer die Stromleitungen über die Straße, daß es den deutschen Elektriker graust. Mich freut es immer, Bilder sehen sofort voller und irgendwie gestalteter aus.
Überhaupt haben wir wohl erschreckend viel gegessen, aber bei 15.000 Schritten pro Tag relativiert sich das schnell.
Öffentliche Verkehrsmittel sind recht einfach zu benutzen, wenn man mal verstanden hat, dass man für alles eine T-Money-card braucht, die man an jedem Kiosk aufladen kann, meist nur mit Bargeld. Sonst braucht man für nichts Bargeld. Leider ist die Automatisierung so weit fortgeschritten, daß man für Restaurant-Reservierungsautomaten oder Gepäckaufbewahrungsautomaten manchmal Apps oder koreanische Telefonnummern benötigt. Im Dongdaemun Design Plaza hat ein solcher Automat mal für sehr anstrengende zehn Minuten meine Tasche eingeschlossen und sie nicht wieder herausgegeben. Das Personal, das aussah wie eine sorgsam gecastete koreanische Boyband, war allerdings sehr hilfreich, und das Design Plaza ist architektonisch sehr fotogen. Die Tasche durfte ich dann auch mit in die Ausstellung nehmen.
Man kann auch mit dem Bus zur innerkoreanischen Grenze fahren. Es gibt richtige Tagestouren durch die “entmilitarisierte Zone” (DMZ genannt), aber wir haben es bei einer Seilbahnfahrt mit der Peace Gondola belassen, bei der eine etwas aufgekratzte Damenstimme die ganze Zeit erzählt, daß es yellow pufferfish im Grenzfluss gebe. Wenn ich an Nordkorea denke, werde ich künftig immer auch an yellow pufferfish denken müssen. Ansonsten gibt es an der Grenze ein Museum, eine Markthalle, einen Freizeitpark, eine abgebrochene Brücke und sehr viele Denkmäler.
In der Gondel darf man übrigens nicht fotografieren, wie ein Schild sagt, allerdings weist die aufgekratzte Damenstimme nicht nur auf den yellow pufferfish, sondern auch auf gute photo spots hin. Und schließlich sind wir hier in Asien. Den Besuchern das Fotografieren zu verbieten ist fast, als verbiete man ihnen das Atmen. Ohne Selfie vor der militärisch bewehrten Grenzanlage war man schließlich gar nicht richtig da.
Ansonsten befinden wir uns Ende April nicht nur in der Zeit, in der überall die Azaleen blühen, sondern auch in den Wochen vor Buddhas Geburtstag. Das ist so ungefähr wie bei uns Advent, nur weniger Kerzen und mehr Lampions. Sehr viele Lampions. Und Laternenumzüge. Und mit sehr vielen Laternen geschmückte Tempel voller blühender Azaleen. Es ist fast ein bisschen Overkill.
Leider bringt das auch mit sich, daß in Japan und Korea sehr viele Leute unterwegs sind. Wir wollten eigentlich mit dem Zug nach Busan fahren, aber alles war ausgebucht. Wir haben uns dann für den Luxus-Premium-Bus entschieden. Der kostet etwa 30 Euro und ist wirklich Luxus-Premium. Ich habe in der Business Class schon schlechter gesessen. So gondelten wir also durch Korea, einmal vom oberen Ende ans untere, den dort, an der Südküste, liegt Busan.
Und das rechtfertigt einen eigenen Bericht, der sehr bald folgt.
Links
Österreich hat ein Problem mit Straßenfotografie. Ich glaube zwar nicht, daß da rechtlich schon das letzte Wort gesprochen wurde, aber die jetzige Situation ist natürlich absolut unschön.
Ein sehr schönes Gespräch mit Ute und Werner Mahler über ihren Werdegang, die Gründung der Agentur Ostkreuz und ihr thüringisches Dorf, hier im Deutschlandfunk.
Terminkalender
bis 1. Juni: “Die Magie der Straße. Meisterwerke der Street Photography aus dem Leica-Archiv”. Ernst-Leitz-Museum, Wetzlar
bis 1. Juni: Oskar-Barnack-Award zu Gast in Mannheim, Reiss-Engelhorn-Museen
23. Mai bis ?? (das Enddatum steht wirklich nirgends): “Voyage, Voyage”, Straßenfotografie aus New York und Palermo, Kunsthalle UG, Augsburg
7. & 8. Juni: Blickwinkelmag Fotofest, Köln Südstadt
bis 15. Juni: Robert Lebeck, “Hierzulande”. Opel-Villen Rüsselsheim
bis 21. Juni: Pia Parolin, Spot on Promenade Moments, Kunstverein Schallstadt
bis 21. Juni: Collateral Eyes stellen aus, Architekten Gallery Netter (siehe auch Begleitprogramm)
12. Juli: Meet & Street in Dresden! (Am 11. gibt es ab 16 Uhr ein Warm-up im Hechtgarten.)
3. Mai bis 12. Oktober: Street Photography. Lee Friedlander, Garry Winogrand, Joseph Rodríguez. Museum Ludwig Köln
bis 7. September: “I’m So Happy You Are Here: Japanese Women
Photographers from the 1950s to Now”, Fotografie Forum Frankfurt
bis 28. September: “New York Speaks”, Nina Welch-Kling, vhs-Fotogalerie Stuttgart