Ich bin die Tochter eines Blümchenknipsers. Ja, Hilfe! Von unseren Familienurlauben gibt es Fotos von Alpenblumen in allen Lebenslagen und irgendwie keine von der Familie. (Wie viele es dann doch gibt, erfahre ich erst, wenn ich die Stapel an ungerahmten Dias durchgegangen sein werde, die mein Vater irgendwo hortet. Ich bin schon so gespannt, zu sehen, wie ich mit drei mal ausgesehen habe.)
Als ich meine erste richtige Kamera hatte, so mit 14, habe ich auch erstmal lauter Blümchen geknipst, ich kannte es ja nicht anders. Dann habe ich sehr, sehr lange dezidiert keine Blümchen geknipst, aber tatsächlich ziehen sie sich dennoch immer wieder durch meine Fotos, ich bin da praktisch wehrlos. Vermutlich doch familiäre Vorbelastung.
Ich finde Pflanzen aber auch ein total interessantes Phänomen, besonders dann, wenn sie künstlich zugerichtet werden, wenn sie ihrer Natürlichkeit beraubt nur noch als Dekogegenstand existieren und nichts mehr daran erinnert, daß es sich ja eigentlich um Lebewesen handelt. So wie hier bei diesen absurd verpackten Orchideen. Und gleichzeitig werden sie so dermaßen mit Bedeutung überfrachtet.
Auch jemand, der der Sentimentalität total unverdächtig ist wie William Eggleston, hat einmal ein ganzes Buch mit “Flowers” gemacht. Und wenn der das darf, dann darf ich das auch. Man darf es eben nicht angehen wie die Blümchenknipser, bei denen die Blume schon Bildinhalt genug ist. Bei meinem Vater ist der Bildinhalt mehr oder weniger: “Guck mal, eine Blume, wie schön.” Das ist mir dann doch ein bißchen wenig.
Interessant wird es ja immer dann, wenn die Blumen Einzug in menschliche Sphären halten. Und dann, wenn es gar keine echte Blumen sind, sondern künstliche. Die viel bunter sind und größer und ewig halten, denen aber auch alles Blumige abgeht. Die nicht duften und sich nicht verändern und tagein, tagaus in der Vase oder im Topf für uns strammstehen. Ersetzen können sie die ersten Schneeglöckchen aber nicht, die sich gerade draußen vor der Haustür durch die Erde kämpfen. Die sind so wichtig, nach gefühlten acht Wochen Januar und dann noch einem halben Jahr Februar. So wichtig kann eine künstliche Blume nie sein.
Lustigerweise wird die Sache aber oft gar nicht viel natürlicher, wenn die Blumen echt sind und draußen stehen. Sie sind dann eben auch hochgezüchtet, rabattenförmig angepflanzt, gedüngt und zurechtgestutzt. Aber gerade dieses Zwiespältige, diese Balance zwischen Natur und Künstlichkeit, finde ich total interessant.
Pflanzen muss man aber überhaupt erst einmal als Teil der Umgebung wahrnehmen, das tun gar nicht einmal so viele Menschen. Man spricht mittlerweile von Pflanzenblindheit (“plant blindness”), weil Pflanzen so oft übersehen werden. Als Blümchenknipsertochter passiert mir das eher nicht, ich kenne die dann meistens auch noch mit Vornamen.
Ach ja, eins noch: Hättet ihr grundsätzlich Bock auf einen Portfolio-Workshop mit mir, an einem Wochenende Ende August, Samstag und Sonntag, in Frankfurt? Vormittags und Mittags intensive Arbeit an Euren Bildern – wo sind Stärken, wo Schwächen? Was ist mein Stil, hab ich überhaupt einen? Wie kommt man aus Sackgassen, was könnte ein Projekt sein? Und ab Nachmittag, wenn das Licht schön und der Kopf voll ist, draußen noch etwas die Füße vertreten? Schreibt mir gern ganz kurz unter andrea.diener@gmail.com, dann melde ich mich, wenn genug Interessierte zusammenkommen, mit den Details. (Und für Euch wirds außerdem günstiger. Ihr lest mich ja immer!)
Links
Die Kölner haben sich was ausgedacht, nämlich ein Buch: “Street Photography Mixtape” soll es heißen, und wer es haben möchte, unterstützt hier das Crowdfunding. Wer lieber erst mehr darüber erfahren möchte, hört die neueste Episode des Unposed-Podcast.
Das Eyeshot-Magazin ist mit einer Fotostrecke im Guardian! Hier kann man sie sich angucken, die meisten Fotos sind auf der humorigen Seite.
Wo geht die Street Photography hin, wenn die Plattformen alle im Umschwung sind? Und wo steht sie eigentlich überhaupt? Hier ein sehr langer Longread auf Substack von Neil Milton.
Terminkalender
22. März: Photowalk mit dem Street Collective Hamburg. 11 Uhr am U-Bahnhof Feldstraße.
12. April: 1. Streetfotowalk Freiburg, 11 Uhr, Treffpunkt folgt
18. bis 27. April: How much is the fish? Fischmarkt-Gruppenausstellung in der Kunstvilla Altona, Vernissage ist am 17. April ab 18 Uhr.
bis 20. April: Saul Leiter: An unfinished World. Foam Fotografiemuseum Amsterdam.
bis 27. April: Sachlich neu. Fotografien von August Sander, Albert Renger-Patzsch und Robert Häusser. Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim
bis 4. Mai: Ein Dorf 1950–2022: Ute Mahler, Werner Mahler, Ludwig Schirmer. Akademie der Künste Berlin
3. bis 13. April: Ausstellung des 24hour-Project, TBD Hamburg, Ehrenbergstraße 25 (bis 3. März kann man sich noch bewerben!)
bis 4. Mai: “Perception, Passion and Pain”. Fotos von Nan Goldin, David Armstrong, Mark Morrisroe und Philip-Lorca DiCorcia, aus der Sammlung F.C. Gundlach. Deichtorhallen Hamburg
9./10. Mai bis 21. Juni: save the date! Collateral Eyes stellen aus (zu Vernissage und Finissage könnte sich ein Abstecher nach Frankfurt lohnen).
7. & 8. Juni: Blickwinkelmag Fotofest, Köln Südstadt
bis 1. Juni: “Die Magie der Straße. Meisterwerke der Street Photography aus dem Leica-Archiv”. Ernst-Leitz-Museum, Wetzlar
bis 15. Juni: Robert Lebeck, “Hierzulande”. Opel-Villen Rüsselsheim
3. Mai bis 12. Oktober: Street Photography. Lee Friedlander, Garry Winogrand, Joseph Rodríguez. Museum Ludwig Köln
24. Mai bis 7. September: “I’m So Happy You Are Here: Japanese Women Photographers from the 1950s to Now”, Fotografie Forum Frankfurt
Nie drüber nachgedacht, dass Blümchen ja nicht immer das ganze Bild ausfüllen „müssen“. 😅 Schöne Fotos 🙌🏼