StreetLetter #12
When it's time for siesta, you can watch them go by ( – Madonna, La isla bonita)
Urlaub! Endlich Zeit zu schreiben, und endlich auch Zeit zu fotografieren. Denn das isses ja am Ende: Egal, ob man sich in schönen oder interessanten Gegenden befindet oder zu Hause, endlich kann man mal in Ruhe mit der Kamera herumschlendern, und nicht nur anderthalb Stunden am Abend oder nach dem Wocheneinkauf am Samstag.
Dieser StreetLetter erreicht Euch von einer Dachterrasse in Apulien mit Blick auf den Hafen von Monopoli, der randvoll mit wehrhaft aussehenden Schiffe der Guardia di Finanza ist, denn demnächst findet in einem Luxus-Hotelkomplex im Nachbarkaff der G7-Gipfel statt, was ich bei der Buchung irgendwie nicht auf dem Schirm hatte. Gegenüber am Kai steht die Yacht des saudischen Vizepremiers mit dem albernen Namen A+ und neuntlängste Yacht der Welt. Außer den Schiffen merkt man nichts davon, die Einwohner gehen hier ihrer Wege wie immer, schwimmen morgens eine Runde, machen dann schön Siesta und flanieren, wenn die Mittagshitze vorbei ist, eifrig auf dem Lungomare herum. Fischer flicken Netze, Jugend brettert mit der Vespa, ab und zu wird ein Heiliger durch die Stadt getragen. Süditalien eben.
Wenn Süditalien wieder so dermaßen penetrant süditalienisch idyllisch ist, kann ich mich auch schlecht wehren, und dann passieren mir diese Klischeebilder mit Vespas und Fischern und beschaulich schaukelnden Booten im Hafen, man kann ja auch schlecht daran vorbeigehen.
Dann erinnere ich mich wieder daran, was ich eigentlich interessant finde, und suche das. Die Brüche, die Absurditäten, die Lichtsituationen. Vielleicht bringe ich dann am Ende fünf Bilder mit, die ich ganz gut finde.
Aber im Grunde laufen Urlaubsbilder außer Konkurrenz, weil sie noch andere Funktionen erfüllen. Für die, die mitreisen, seien es Freunde oder Familie, werden sie zur Erinnerung, sie wollen sich auch selbst im Kontext dieser Reise sehen. Also kommt man gefälligst als Person mit Kamera der Verantwortung nach, das zu dokumentieren. Sonst enden sie wie ich, mit einem Schrank voller ungerahmter Dias unserer Familienurlaube, auf denen 3000 Alpenblumen in Nahaufnahme zu sehen sind und eigentlich nie ich, die ich als Kind danebenstand. Von den Alpenurlauben bleiben sehr verschwommene Erinnerungen und ein paar Erzählungen der Eltern, die etwas behaupten, was passiert sein kann oder auch nicht.
Dann fotografiert man Fischer und Häfen und Freunde und geht am Nachmittag nochmal anderthalb Stunden los, um nach Motiven zu schauen und hat plötzlich doch nicht so viel mehr Zeit als zu Hause während einer normalen Arbeitswoche. Oder man hat sehr tolerante Freunde. Ich suche mir Reisegefährten durchaus auch danach aus, ob sie auf mich warten und wie oft sie mir im Motiv herumstehen. Und leider ist Streetfotografie ein Ausdauersport. Es gibt hier zwei absolut phantastische Ecken, einen Strand und einen sehr bunt bemalten Skatepark, und bei beiden ist mir noch nicht das Bild gelungen, mit dem ich hundertprozentig zufrieden bin. Ich müßte da einfach immer wieder hin, aber am Samstag fahren wir ja leider schon wieder. Da hab ich es in Frankfurt leichter. Da gibt es Ecken, bei denen ich mir leisten konnte, monatelang immer wieder hinzugehen, bis irgendwas passierte.
Kurz gesagt: Mit sehr viel Glück gelingen im Urlaub auch mal gute Streetphotos. Ich würde mich aber lieber nicht darauf verlassen, und integriere die Sache daher irgendwie in meinen Frankfurter Alltag.
In Apulien ist es mittags zu heiß für irgendwas. Wir spielen jetzt Rommé, bis man wieder rausgehen kann. Dann steht auch die Sonne niedriger, und ich habe etwa zwei Stunde Zeit, bis wir zu Abend essen. Wahrscheinlich laufe ich nochmal am kleinen Stadtstrand vorbei und gehe zu der Stelle. wo man von oben auf die Badenden herunterschauen kann, die scheint mir vielversprechend. Ich hoffe, daß mir hier noch ein schönes Wimmelbild gelingt. Ein paar Tage hab ich ja noch
Links
Chasing Light like Trent Parke: Alle Betriebsgeheimnisse auf Youtube
Für etwas geduldigere Podcasthörer: Wolfgang Tillmans, wie entsteht Kunst? FÜNFEINHALB STUNDEN. Alter.
Terminkalender
bis 27. Juni: Ute und Werner Mahler: Kleinstadt. Hamburger Werkstatt für Fotografie.
ab 29. Mai: “Stadt der Fotografinnen. Frankfurt 1844 – 2024” im Historischen Museum Frankfurt
1. bis 29. Juni: Ausstellung von Achim Katzberg, Kunst im Mannlichhaus, in Achims Geburtsort Zweibrücken
bis 22. Juni: Thomas Hoepker “MitMenschen”, Leica Gallery Frankfurt
22. Juni: Photowalk mit Unposed Hannover, 14 Uhr am Opernhaus.
23. Juni: Photowalk mit Collateral Eyes, 15 Uhr am Gutenberg-Denkmal
29./30. Juni: Fotofest des Blickwinkel-Mag, Köln Südstadt
12./13. Juli 2024: Meet & Street Hamburg
bis 25. August: Nina Welch-Kling stellt Straßenfotografie aus New York aus, und zwar im Kunstverein Schweinfurt
bis 1. September: RAY Triennale für Fotografie, Rhein-Main-Gebiet
15. Juni bis 22. September: HCB im Bucerius-Kunstforum Hamburg
Wettbewerbe
Viepa Vienna Photo Award, Kategorie Street, bis 15. Juni.
Lens Culture Street Awards, Einzelbilder und Serien, Deadline 19. Juni.
Schönen Urlaub! Genieße die Zeit und die Sonne!